China lässt den Stahlmarkt abkühlen
China lässt den Stahlmarkt abkühlen. Über Jahre hat der Rohstoffhunger des Boomlands China eine stetig wachsende Nachfrage garantiert - doch die gewohnt zweistelligen Wachstumsraten gehören im Reich der Mitte vorerst der Vergangenheit an. Damit kühlt sich auch die Nachfrage des weltweit größten Stahlkonsumenten ab, der Millionen Tonnen des Werkstoffs in den vergangenen Jahren in Brücken, Straßen und Häusern verbaut hat. Jenseits der Schwellenländer sind Konzerne und Verbraucher zudem wegen der Schuldenberge verunsichert, die auf beiden Seiten des Atlantiks zu Sparprogrammen zwingen. Vor neuen Bestellungen werden nun zunächst die Bestände aufgebraucht. Analysten sehen deswegen die Stahlpreise bis zum Jahresende unter Druck. Das werde sich erst zu Beginn des nächsten Jahres wieder ändern. „Alle sind vorsichtig wegen der Schuldenkrise“, sagt etwa Analyst Marc Gabriel vom Bankhaus Lampe. „Im Moment werden die Lager geleert.“ In den nächsten Monaten könnte es daher zu Preisabschlägen kommen. „Ich glaube aber nicht, dass wir massive Einbrüche sehen beim Stahlpreis.“ Branchenanalyst Michael Broeker von Steubing rechnet seinerseits bis Jahresende mit einem Rückgang von bis zu fünf Prozent. „Die Abkühlung in China drückt natürlich auf die Stahlpreise.“ Auch Eisenerz als Rohstoff für die Stahlproduktion dürfte sich demnach verbilligen. Im ersten Quartal nächsten Jahres sieht Gabriel dann wieder Spielraum nach oben. Die Branche in Deutschland mit Unternehmen wie ThyssenKrupp und Salzgitter will an einen deutlichen Rückgang der Rohstoffpreise noch nicht glauben. „Mit Blick auf die weltweiten konjunkturellen Entwicklungen ist keine nachhaltige Entspannung auf den Stahlrohstoffmärkten in Sicht, auch wenn auf den Spotmärkten ein leicht fallender Trend zu beobachten ist“, sagte vor wenigen Tagen der Präsident der Düsseldorfer Wirtschaftvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff. Seit Anfang 2010 seien die Preise für Feinerz um 200 Prozent und für Kokskohle um 145 Prozent nach oben geschossen. Im dritten Quartal hätten sie sich auf hohem Niveau stabilisiert. Mit einem Einbruch wie bei der Wirtschaftskrise 2008 rechnet auch Stahlanalyst Broeker nicht. Damals fiel der Preis pro Tonne Eisenerz um fast 70 Prozent. „Die Nachfrage bricht nicht zusammen, sie schwächt sich ab“, sagt Rohstoffanalyst Henry Liu von Mirae Asset Securities in Hongkong. Für Eisenerzproduzenten sei es jedoch noch zu früh, den Abbau zurückzufahren. Und so legte der weltgrößte Bergbaukonzern BHP Billiton zuletzt auch einen neuen Rekordwert bei für die Eisenerzproduktion vor, wie zuvor bereits sein Konkurrent Rio Tinto. Die ersten Anzeichen sind jedoch alarmierend: Die Rohstahlproduktion in China fiel im September auf den niedrigsten Wert seit sieben Monaten. Experten erklären dies mit den Versuchen der Regierung in Peking, die heiß laufende Konjunktur abzukühlen. Sie hat die Kreditvergabe eingeschränkt, nun fehlt den Unternehmen das Geld für den Einkauf der Rohstoffe. „Der Gesamtmarkt ist in Panik, da kleine Stahlhütten damit begonnen haben, die ersten Hochöfen still zu legen, während große Werke auf den vorhandenen Eisenerzbestand zurückgreifen und Käufe reduzieren“, sagt ein Händler in China. Die Bergbaukonzerne wollen aber nicht tatenlos auf ihrer gigantischen Produktion sitzen bleiben. Ein Insider bei einem mittelgroßen chinesischen Stahlwerk sagte, ihm sei ein Brief der brasilianischen Vale auf den Tisch geflattert: Der weltweit größte Eisenerzproduzent habe darin zu erkennen gegeben, zu Preissenkungen bereit zu sein.