Chinas Erz-Hunger jagt die Preise
Chinas Erz-Hunger jagt die Preise. Die Bergbauriesen Rio Tinto, BHP Billiton und Vale, die drei Viertel des Weltmarktes beherrschen, weiten die Eisenerzförderung stark aus. Die enorm große Nachfrage aus China sorgt für Goldgräberstimmung. Der Rohstoffhändler Glencore hat mit seiner Absage einer Übernahme des kasachischen Bergbaukonzerns ENRC seiner börsenfrischen Aktie wieder einen kleinen Schwächeanfall beschert. Der Gewinnsprung um 47 Prozent auf 1,3 Mrd. Dollar im ersten Quartal zeigt jedoch, wohin die Reise geht. Und zwar nicht nur beim Rohstoffhändler Glencore, der von anhaltend guten Geschäften ausgeht. Die enorm große Nachfrage aus China, aber auch aus anderen Schwellenländern wie Indien, sorgt in der Bergbauindustrie weiterhin für Goldgräberstimmung und beflügelt die Minenwerte. Wie die Konkurrenten beschleunigt auch der britisch-australische Konzern Rio Tinto seine Eisenerzförderung. Rio Tinto bildet mit der australischen BHP Billiton und der brasilianischen Vale das dominierende Trio, das drei Viertel der weltweiten Erz- und Kohleförderung kontrolliert. Eisenerz und Kohle bilden die wichtigsten Rohstoffe für die Stahlindustrie. Rio Tinto plant eine Ausweitung der jährlichen Eisenerzförderung um 50 Prozent auf 333 Millionen Tonnen. Dieses Ziel soll bereits in der ersten Jahreshälfte 2015 erreicht werden und damit ein halbes Jahr früher als bislang geplant, kündigte der Konzern am Mittwoch mit. „Die Nachfrageaussichten bleiben stark, das Angebot in der Branche hinkt hinterher“, sagte dazu Rio Tintos Eisenerz-Chef Sam Walsh. Auch andere Bergbaukonzerne erschließen neue Lagerstätten, viele mihilfe von Startkapital aus China. Die britisch-südafrikanische AngloAmerican will ihre Eisenerzproduktion bis 2014 nahezu verdoppeln. Auch die australische Fortescue Metals Group und die Vale planen kräftige Steigerungen. Das Geschäft ist für die Konzerne aus heutiger Sicht überaus lukrativ. Die Tonne Eisenerz kostete am Mittwoch rund 170 Dollar, was nach einem kurzen Abbröckeln der Preise in den vergangenen Wochen wieder eine deutliche Verteuerung bedeutet. Das heißt aber auch, dass der Preis derzeit bis zu fünfmal so hoch ist wie die Produktionskosten der meisten Bergbauunternehmen. Rio Tinto hat auch mit dem chinesischen Aluminiumkonzern Chinalco ein Joint Venture gegründet. Vorerst will sich die Firma auf Kupfer, später auch auf Kohle und Kali konzentrieren. Die Kooperation ist bemerkenswert, weil Rio Tinto 2009 ein Übernahmeangebot in Höhe von 19,5 Mrd. Dollar von Chinalco ausgeschlagen hat. Ein Risiko ist die Konjunkturentwicklung im rohstoffhungrigen China. Die Volksrepublik versucht eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern und die Inflation unter Kontrolle zu halten. Dies könnte auch zu einer empfindlichen Wachstumsdelle führen. Analysten gehen allerdings davon aus, dass die zunehmende Industrialisierung in anderen Teilen Asiens die Rohstoffnachfrage auf hohem Niveau halten wird. Deshalb treiben die Bergbaukonzerne die Schatzsuche auch in anderen Weltregionen ungebremst voran: Wenn es um Eisenerz geht, haben sie ihre Blicke auf Brasilien gerichtet. Im Amazonasgebiet befinden sich nämlich die größten Eisenerzlagerstätten der Welt. Womit allerdings auch für reichlich Konfliktstoff gesorgt ist. Denn so wie beim Riesen-Staudammprojekt Belo Monte laufen Umweltschützer und Menschenrechtsorganisationen auch Sturm gegen das Erzprojekt. Sie argumentieren, dass große Flächen des tropischen Urwalds von der Zerstörung bedroht sind.
