Fachkräftemangel trifft Robotik: die europäische Metallverarbeitung im Umbruch

Die Daten des Labour and Skills Shortage Index
Viele Betriebe im metallverarbeitenden Sektor melden seit geraumer Zeit Schwierigkeiten, geeignete technische Fachkräfte zu finden — insbesondere für Funktionen in Produktion, Wartung und Maschinenbedienung. Um abzuschätzen, wie stark dieses Phänomen von Wahrnehmung beeinflusst ist und wie sehr es durch objektive Hinweise belegbar ist, lohnt ein Blick auf den Labour and Skills Shortage Index (LSSI), erstellt von Cedefop, der Agentur der Europäischen Union für Berufsbildung und Kompetenzentwicklung.
Für die Kategorie „Metal, machinery and related trades workers“ weist der Index die Werte 1-1-3 in den drei untersuchten Dimensionen — Nachfrage, Angebot und Mismatch — auf, auf einer Skala von 1 („geringer Druck“) bis 4 („hoher Druck“). Diese Werte stellen den europäischen Durchschnitt dar und entsprechen zugleich exakt den Ergebnissen für Deutschland. Die Kreuzanalyse der Werte zeigt, dass Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften relativ stabil sind, während die Hauptproblematik im liegt.
Mit anderen Worten: Das Problem liegt nicht so sehr in der Anzahl der verfügbaren Personen auf dem Arbeitsmarkt, sondern darin, wie gut deren Qualifikationen tatsächlich auf die Anforderungen zunehmend automatisierter und digitalisierter Werkstätten abgestimmt sind. Gerade in Bereichen wie CNC-Bedienung, industrielle Wartung, qualifizierte Schweißarbeiten und mechatronische Fachkräfte wird die Kluft zwischen dem, was benötigt wird, und dem, was verfügbar ist, besonders deutlich.
Fachkräftemangel in der deutschen Metallverarbeitung
Auch aktuelle Studien aus Deutschland bestätigen diesen Kompetenzmangel und zeigen zugleich, dass in vielen technischen Berufen – insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie – zusätzlich ein deutlicher Mangel an qualifizierten Fachkräften besteht, was die Problematik für die Unternehmen weiter verschärft. Laut dem KOFA-Fachkräftereport Juni 2025 bleiben bundesweit rund 391.000 qualifizierte Stellen unbesetzt. Der Branchenfokus von KOFA zur Metall- und Elektro-Industrie zeigt zudem, dass viele Unternehmen weiterhin erhebliche Schwierigkeiten haben, qualifizierte Mitarbeitende für Produktion, Wartung und maschinennahe Prozesse zu finden. Der MINT-Report 2024/2025 von Gesamtmetall weist darüber hinaus für die Berufe der Metallverarbeitung eine Arbeitskräftelücke von rund 30.800 fehlenden Fachkräften aus. Auch das KfW-ifo-Fachkräftebarometer 2025 verdeutlicht diesen Trend: 26,5 % der Betriebe in der Herstellung von Metallerzeugnissen und 11,7 % in der Metallproduktion und -verarbeitung berichten, dass ihre Geschäftstätigkeit spürbar unter dem Fachkräftemangel leidet.
Automatisierung als strategische Antwort
Vor diesem Hintergrund beschleunigen viele kleine und mittlere metallverarbeitende Unternehmen ihre Automatisierungsbemühungen. Dieser Trend spiegelt sich in globalen Zahlen wider. Laut dem Report „World Robotics 2025“ wurden 2024 weltweit 542.000 Industrieroboter installiert — mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Die jährlichen Installationen lagen damit zum vierten Mal in Folge über 500.000 Einheiten.
Dieser globale Boom unterstreicht einen Automatisierungsschub, der zwar vor allem in hochproduktiven Regionen (insbesondere Asien) stattfindet, aber auch für europäische KMU richtungsweisend sein kann: Für viele wird Automatisierung zunehmend ein zentraler Baustein, um Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz und Stabilität der Produktionszyklen zu sichern.
Für Betriebe, die mit Stanzerei, CNC-Bearbeitung, Schweißen, Montage oder ähnlichen Prozessen beschäftigt sind, bedeutet die Investition in kollaborative Roboter, Maschinenbeschickungssysteme oder automatisierte Zellen nicht nur Produktivitätssteigerung, sondern auch eine Reaktion auf einen Arbeitsmarkt, in dem qualifizierte Fachkräfte immer schwerer zu finden sind.
Neue Berufsbilder und neue Verantwortlichkeiten
Die andere Seite des Fachkräftemangels ist: Technologie allein reicht nicht aus. Unternehmen, die in Robotik investieren, müssen zugleich neue hybride Profile aufbauen: Bediener, die automatisierte Zellen steuern können; Techniker mit gemischten Kenntnissen in Programmierung, Diagnostik und elektronischer Wartung.
Der sogenannte Mismatch — die Diskrepanz zwischen erwarteten und realen Fähigkeiten — betrifft dabei nicht nur die bloße Verfügbarkeit von Arbeitskräften, sondern deren Qualifikationsniveau: Die Zukunft der europäischen Werkstatt erfordert umfassendere, vielseitigere technische Profile, die Technologie nicht nur bedienen, sondern befähigen.
Ein paradigmatischer Wandel für Wettbewerbsfähigkeit
Die Kombination aus Fachkräftemangel und wachsender Automatisierung stellt heute einen strategischen Wendepunkt für die gesamte metallverarbeitende Wertschöpfungskette dar. Unternehmen, die es schaffen, technologische Investitionen mit internen Schulungswegen und strukturierten Kooperationen mit technischen Instituten zu verbinden, werden eine höhere operative Kontinuität und eine stabilere Produktionsauslastung sichern können. Wer hingegen an traditionellen Organisationsmodellen festhält, riskiert, die Folgen der Schwierigkeiten bei der Rekrutierung qualifizierten Personals zu verschärfen.
Literaturhinweise
Cedefop – European Centre for the Development of Vocational Training.
Labour and Skills Shortage Index – Briefing Note.
Verfügbar unter: https://www.cedefop.europa.eu/files/9202_en.pdf
EURES – EURopean Employment Services.
Arbeitskräftemangel und -überschüsse in Europa – Vergleichende Analyse der beruflichen Anforderungen in den EU-Ländern.
Verfügbar unter: https://eures.europa.eu/living-and-working/labour-shortages-and-surpluses-europe_de
OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development.
Labour market shortages and labour market inequalities.
Verfügbar unter: https://www.oecd.org/content/dam/oecd/en/publications/reports/2025/03/labour-shortages-and-labour-market-inequalities_798f8a8f/14e62ec0-en.pdf
International Federation of Robotics (IFR).
Global robot demand in factories doubles over 10 years – Press Release.
Verfügbar unter: https://ifr.org/ifr-press-releases/news/global-robot-demand-in-factories-doubles-over-10-years
KOFA – Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung.
Fachkräftereport Juni 2025 – aktuelle Lage am deutschen Arbeitsmarkt.
Verfügbar unter: https://www.kofa.de/daten-und-fakten/studien/fachkraeftereport-juni-2025
KOFA – Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung.
Top-Engpassberufe in der Metall- und Elektroindustrie (Deutschland, 2024/2025) – Interaktive Auswertung.
Verfügbar unter: https://www.kofa.de/mitarbeiter-finden/branchen-im-fokus/fachkraefte-fuer-metall-und-elekroindustrie
Gesamtmetall – Arbeitgeberverband der Metall- und Elektro-Industrie.
MINT-Report 2024/2025.
Verfügbar unter: https://www.gesamtmetall.de/innovationsfaehigkeit-deutschlands-in-gefahr-209000-fachkraefte-in-mint-berufen-fehlen
KfW / ifo Institut.
KfW-ifo-Fachkräftebarometer 2025 – Auswirkungen des Fachkräftemangels auf das deutsche verarbeitende Gewerbe.
Verfügbar unter: https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-ifo-Fachkraeftebarometer/KfW-ifo-Fachkraeftebarometer_2025-06_EN.pdf
